Techniker Krankenkasse

Krankenkasse eröffnet Kostendiskussion bei Gentherapie

Im TK-Report 2023 der Techniker Krankenkasse wird wegen der hohen Preise für Gentherapeutika Alarm geschlagen. Insbesondere durch die hohe Zahl an in Entwicklung befindlichen Gentherapien und deren möglicher Zulassung drohe der Gesetzlichen Krankenversicherung eine dramatische Schieflage.

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Laut einem Bericht im Ärzteblatt fordert die Techniker Krankenkasse (TK) eine Debatte über mögliche Reformen bei der Preisbildung für neuartige Gentherapien. Ansonsten drohe in den kommenden Jahren eine finanzielle Überforderung des Solidarsystems der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), warnte der Vorstandsvorsitzende Jens Baas auf einer Pressekonferenz in Hamburg. Noch sei es zwar nicht so weit, denn derzeit könne der größte Teil der steigenden GKV-Arzneimittelausgaben durch Einsparungen bei Generika oder anderen Therapien kompensiert werden, sagte Baas bei der Vorstellung eines Reports zu den Kosten neuartiger Gentherapeutika.

Mittlerweile würden jedoch mehr als die Hälfte der Arzneimittelausgaben auf neue Wirkstoffe entfallen. „Die patentgeschützten Arzneimittel werden mittelfristig die Gesamtausgaben dominieren und eine Kompensation durch andere Ausgabenbereiche wird nicht unbegrenzt möglich sein“, heißt es in dem Report. Besonders deutlich werde die finanzielle Schieflage der GKV, wenn man die Arzneimittelausgaben in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) betrachte: „In den letzten fünf Jahren ist hier ein besorgniserregender Trend zu beobachten“, schreibt die TK.

So seien die Ausgaben für patentgeschützte Arzneimittel mit durchschnittlich 17,7 Prozent deutlich stärker gestiegen als das BIP mit durchschnittlich nur 3,7 Prozent: „Würde sich dieser Trend ungebremst fortsetzen, würden wir im Jahr 2050 rund 25 Prozent des BIP für patentgeschützte Arzneimittel ausgeben.“

Eine besondere „Gefahr“ – so der Report im Orginalton – für die GKV-Finanzen gehe in den kommenden Jahren von neuartigen Gentherapien aus. Bereits in den vergangenen Jahren war das Medikament Zolgensma in die öffentliche Diskussion geraten, weil es mit einem Listenpreis von 1,9 Mio. Euro bei Markteinführung zu den teuersten Medikamenten der Welt zählt. Mittlerweile sind in Deutschland 15 Gentherapeutika zugelassen und die Zahl der hochpreisigen Originalpräparate auf diesem Gebiet dürfte in Zukunft noch deutlich steigen. Derzeit laufen laut TK-Report weltweit schätzungsweise mehr als 1.500 Studien zum Einsatz von Gentherapeutika.

Zur Abschätzung der zu erwartenden Kosten zukünftiger Gentherapien wurden im Techniker-Report 49 Präparate ausgewählt, deren Forschung zum Zeitpunkt der Recherche bereits besonders weit fortgeschritten war. Die Spanne der Initialkosten für eine Einmalgabe ist jedoch enorm und reicht von 72.200 Euro für Imlygic zur Behandlung des schwarzen Hautkrebses bis zu 4,1 Mio. Euro für Upstaza zur Behandlung des Mangels an aromatischer L-Aminosäure-Decarboxylase (AADC).

Sollte jedes dieser Produkte Marktreife erlangen, droht der GKV nach Berechnungen der TK eine Gesamtbelastung zwischen 26,7 Milliarden und 35,6 Milliarden Euro. „Wir reden hier von zwei Beitragssatzpunkten“, so Baas. Damit würde die Finanzlage der GKV weiter aus dem Gleichgewicht geraten, so dass eine Spirale aus Beitragserhöhungen und stärkerer Belastung der Versichertengemeinschaft die Folge sein werde, warnen auch die Autoren des TK-Reports.

Bevor weitere teure Gentherapeutika auf den Markt kommen, müsse die Politik deshalb beginnen, über eine Reform der Preisbildungsmechanismen zu diskutieren um zu verhindern, dass auf anderem Weg entschieden werden müsse, welccher Patient ein teures Medikament bekomme und welcher nicht.

Die Gen- und Zelltherapie gerät damit in die Kostendiskussion und Verbände fühlen sich damit nachgerade dazu aufgefordert, ebenfalls Position zu beziehen. Dies geschieht auch im Wissen, dass die Bundesregierung, angeführt vom Bundesforschungsministerium, im Sommer eine Strategie zu Gen- und Zelltherapeutika herausgeben möchte, die insbesondere auch die Produktionskapazitäten und damit die Wertschöpfung vor Ort in den Blick nimmt. Offen steigt derzeit noch niemand in die Diskussion mit der Krankenkasse ein, doch es bilden sich Allianzen.

Die Deutsche Gesellschaft für Gentherapie hat sich beispielsweise aktuell als Kooperationspartner den vfa auserkoren, um für den Zell- und Gentherapie-Standort Deutschland zu werben: Die Deutsche Gesellschaft für Gentherapie (DG-GT) und der Verband der forschenden Pharmaunternehmen (vfa) arbeiten ab März 2024 im Rahmen einer connecting Platform längerfristig zusammen. Damit wollen sie „den Austausch und die Kooperation zwischen deutschen Entwicklungsteams in der akademischen Forschungslandschaft und der Industrie im Feld der Gen- und Zelltherapien befördern“, heißt es in einer Mitteilung. Um die Preisdebatte wird man jedoch auch in akademisch-industriellen Zirkeln nicht herumkommen.

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